Institut für deutsche Literatur

Laufende Projekte

Drittmittelprojekt „Jewish Homosexual Modernism in the German Speaking World and in Mandatory Palestine/Israel“

Das Kooperationsprojekt mit der Hebrew University in Jerusalem wird von der Einstein-Stiftung von Anfang 2020 bis Ende 2022 gefördert.

Arbeitsthese des Projekts ist die Entstehung einer literarischen „jüdisch-homosexuellen Moderne“  im deutschsprachigen Kulturraum zwischen 1890 und 1945. Zu diesem Kanon gehören sowohl deutschsprachige als auch hebräische und jiddische Texte, in denen Konzepte von Jüdischsein und Homosexualität sowie deren Verschränkungen verhandelt werden.

Jüdische und antisemitische sowie homosexuelle und homophobe Diskurse im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurden bereits vielfach von der Forschung in den Blick genommen. Das Forschungsprojekt rückt die Berührungspunkte, Querverbindungen und Überlagerungen dieser Diskurse in den Fokus. Die Bedeutung von „Jüdischsein“ umfasst Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem religiöse, ethnische und kulturelle Definitionen, die einerseits von Menschen, die sich als jüdisch identifizierten, aber auch von nicht jüdischen Personen sowie Antisemit*innen formuliert wurden. Ähnlich verhält es sich mit Homosexualität: Emanzipatorische und homophobe, sexualwissenschaftliche, kulturelle und genderspezifische Definitionen formen das Begriffsfeld. Im literarischen Kanon der jüdisch-homosexuellen Moderne treffen diese Konzeptualisierungen aufeinander und beeinflussen sich wechselseitig. Damit verbunden sind ästhetische Konzeptionen von Zentrum und Peripherie, Territorialität und Deterritorialisierung, Heimat und Exil, Geheimnis und Enthüllung, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit.

Das Berliner Teilprojekt richtet den Blick vor allem auf zwei Textkorpora: Gegenstand der Analyse sind zum einen kanonisierte fiktionale Werke von Autor*innen wie Thomas Mann und Else Lasker-Schüler. Einen Schwerpunkt legen die beiden Unterprojekte zum anderen auf Zeitschriften und Magazine, die zwischen 1890 und 1945 in Berlin veröffentlicht wurden. Dabei werden Zeitschriften der Homosexuellenbewegung auf jüdische Referenzen und deutschsprachige jüdische und zionistische Zeitschriften auf homosexuelle Inhalte untersucht. Ein wichtiger Analyseaspekt ist die Medialität der Zeitschriften sowie die Umstände ihrer Produktion, Verteilung und Rezeption. Dieser doppelte Blick ermöglicht es,  den jüdisch-homosexuellen Kanon der Moderne zu heben und  Verbindungen zu tradierten Kanons zu identifizieren. 

 

Logo Einstein Stiftung

Drittmittelprojekt "Naomi Wilzig Collection – Eine Kunstsammlung zur Kulturgeschichte der Sexualität"

Seit 2018 kommen Teile der Sammlung des World Erotic Art Museum (WEAM) in Miami Beach, USA für zunächst fünf Jahre an die Humboldt-Universität. Die Leihgabe ist mit einer großzügigen finanziellen Förderung seitens der Leihgeber verbunden. Es besteht eine Kooperation mit dem Kinsey Institute (Indiana University, Bloomington).

Die Gründerin und Leiterin des Museums, Naomi Wilzig (1934-2015), war Witwe des deutschen Holocaust-Überlebenden Siegbert Wilzig. Sie gründete das Museum im Jahr 2005 und leitete es bis zu ihrem Tod im April 2015.

Die 4.000 Objekte aus verschiedenen Epochen und Kulturen bilden eine exzellente Grundlage für die Erforschung der Kulturgeschichte der Sexualität von den Anfängen bis in die Gegenwart und für ihre Vermittlung in der Lehre.

Die Sammlung ist in einigen Teilen mit jener Sammlung vergleichbar, die Magnus Hirschfeld in seinem Institut für Sexualwissenschaft (1919-1933) unterhielt und die von den Nationalsozialisten 1933 zerstört wurde.

 

Eine erste Ausstellung mit dem Titel "Aus dem Museum der Leidenschaften" fand im Mai 2015 im Pergamon-Atrium der Humboldt-Universität statt.

Die zweite Ausstellung "Erotik der Dinge. Sammlungen zur Geschichte der Sexualität" wurde vom 3. Mai bis zum 01. Oktober 2018 im Berliner Werkbundarchiv - Museum der Dinge gezeigt.

Auch im WEAM ist die Forschungsstelle mit einer kleinen Ausstellung über Magnus Hirschfeld vertreten.

 

Im Januar 2019 organisierte die Forschungsstelle den internationalen interdisziplinären Workshop „Sexuality at the Museum: Educational Concepts“ zusammen mit dem Sexual Knowledge Unit an der University of Exeter und mit Unterstützung des lab.Bode im Bode Museum, um sich u.a. anhand der Naomi Wilzig Sammlung über die pädagogische und kuratorische Arbeit mit Objekten, Texten und Kunstwerken zu Sexualität und Geschlecht auszutauschen.

 

 

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Das World Erotic Art Museum in Miami Beach, USA

 

Video:

Interview mit Dr. h.c. Naomi Wilzig (2014).

 

Ausstellungen

Plakat Aus dem Museum der Leidenschaften

 

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Drittmittelprojekt „Cruising the 1970s: Unearthing Pre-HIV/AIDS Queer Sexual Cultures“ (CRUSEV) [abgeschlossen]

CRUSEV-Website

Das europäische Forschungsprojekt wird gemeinsam mit UK (Edinburgh), Spanien und Polen durchgeführt. Es wird im Rahmen des HERA-Programms „Uses of the Past“ für drei Jahre gefördert (2016-2019).

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts „Cruising the Seventies“ (CRUSEV) steht die Frage danach, wie lesbische, schwule, bisexuelle, transgender- und queere soziale und sexuelle Kulturen in der Dekade zwischen dem Aufkommen einer internationalen Homosexuellenbewegung und den ersten dokumentierten Fällen von HIV/AIDS zu rekonstruieren sind, wie sie verstanden werden können und welchen Beitrag dieses Wissen im Blick auf queere Politiken und Identitäten in Europas Gegenwart und Zukunft leisten kann.

Das deutsche Teilprojekt erforscht den Zeitraum zwischen 1971, dem Jahr, in dem Rosa von Praunheims Film Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt die Gründung der ersten Schwulengruppen in der BRD auslöste, und 1982, dem Jahr, in dem der Begriff AIDS wissenschaftlich definiert wurde. Das Teilprojekt stellt das dominante Narrativ der Lesben- und Schwulenbewegung der 1970er Jahre als eines Goldenen Zeitalters der queeren Geschichte in Frage, in dem es historische Zeugnisse, Literatur und Filme der Zeit über und von LSBTQ in den Blick nimmt und sie in Beziehung zu zeitgenössischen Texten, Ausstellungen und Interviews setzt.

In zwei aufeinander bezogenen Unterprojekten wird der DDR- bzw. BRD-Kontext fokussiert. In vergleichender Perspektive werden so Parallelen und Differenzen in der Bewegungspolitik und den kulturellen Äußerungen in Ost und West vergleichbar. Zugleich fokussieren die beiden Unterprojekte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen schwulen und lesbischen Emanzipationspolitiken.

 

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Drittmittelprojekt „Jewish Presence in Weimar Gay and Lesbian Culture and the German-Jewish Contribution to the Emergence of Gay Culture in Palestine/Israel, 1933-1960“ [abgeschlossen]

Das gemeinsam mit der Hebrew University of Jerusalem durchgeführte Forschungsprojekt wird in der ersten Phase (2016) von den beteiligten Universitäten und in der zweiten Phase (2017-2019) von der German-Israeli Foundation for Scientific Research and Development gefördert.

Das Berliner Teilprojekt fokussiert die Präsenz jüdischer Protagonist*innen im schwulen und lesbischen Berlin vor 1933. Erforscht wird der spezifisch jüdische Beitrag zu Berlin als einem Zentrum der homosexuellen Kultur sowie der homosexuellen Emanzipationsbewegung in der Weimarer Republik. Besonderes Interesse richtet sich auf das kulturelle Engagement jüdischer Aktivist*innen und Künstler*innen für die schwul-lesbische Community sowie das politische Engagement von Ärzt*innen, Jurist*innen und Wissenschaftler*innen für die Abschaffung des Sonderstrafrechts gegen Homosexuelle. Zugleich richtet sich der Blick auf das Schicksal der jüdischen Protagonist*innen nach 1933 und die Erforschung ihrer Fluchtwege, insbesondere derjenigen, die nach Palästina führten.

Der Fokus des israelischen Teilprojekts richtet sich auf die Impulse, die homosexuelle Immigrant*innen für die Herausbildung einer queeren Community in Palästina/Israel leisteten. Inwieweit konnten die Eingewanderten im gesellschaftlichen Kontext ihres Exils subkulturelle Formen homosexueller Geselligkeit, aber auch den politischen Aktivismus für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Liebe einbringen, fortführen oder weiterentwickeln? Mit der Untersuchung dieser Aspekte der Geschichte Israels leistet das Projekt Grundlagenforschung.

 

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Modell-Projekt Aids-Archiv

Mit dem Modellprojekt Aids-Archiv schafft unsere Forschungsstelle in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek im Grimm-Zentrum eine Grundlage für den Aufbau einer Sammlung zur Kulturgeschichte von HIV/Aids. Zu diesem Zweck ergänzt sie die Bestände im Haeberle-Hirschfeld-Archiv zur Aids-Politik durch eine komplementäre Auswahl von Vor- und Nachlässen.

Ziel ist der schrittweise Aufbau eines exemplarischen Sammlungsbestandes, um ihn für die künftige Forschung zu sichern. In Anbetracht großer Lücken zu diesem Thema in den Archiven, Bibliotheken und Sammlungen stellt die Sicherung von Beständen zur kulturpolitischen Geschichte von HIV/Aids und deren Erforschung eine zentrale Aufgabe dar.

Bei der Erweiterung geht es um die Sicherung jener Spuren, die das Leben mit HIV und Aids nicht nur bei homosexuellen Männern in den vergangenen Jahrzehnten hinterlassen hat. Zu diesem Zweck ist es wichtig, die entstandenen neuen Formen der Selbstorganisation, des Empowerment und der politischen Intervention in ihrer Vielfalt zu dokumentieren. Im Mittelpunkt stehen private und institutionelle Materialien, anhand derer sich die persönlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit HIV/Aids exemplarisch darstellen lassen.

Die Forschungsstelle arbeitet zur Umsetzung dieses Vorhabens mit den Mitarbeiter/innen des Arbeitskreises Aids-Geschichte ins Museum, Corinna Gekeler und Axel Schock, zusammen.

Das Projekt wird von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld finanziell gefördert.

 

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Axel Schock und Corinna Gekeler

Digitalisierung der Zeitschrift Der Eigene

In Zusammenarbeit mit dem Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität und dem Schwulen Museum Berlin digitalisiert unsere Forschungsstelle die Berliner Kunst- und Kulturzeitschrift Der Eigene: Ein Blatt für männliche Kultur, um sie der Forschung online öffentlich zugänglich machen.

Die Zeitschrift erschien von 1896 bis 1933. Sie war für die Homosexuellenbewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von größter Bedeutung und stellt in der Bibliothekslandschaft heute eine Rarität dar. Insofern ist es zugleich ein herausragendes Dokument für die kulturwissenschaftliche Sexualforschung.

Die Bestände im Grimm-Zentrum der Universitätsbibliothek bilden die Grundlage für das Digitalisierungsprojekt. In Kontakt mit weiteren Bibliotheken und Privatsammlungen im In- und Ausland ermittelt die Forschungsstelle weitere Bestände, um eine vollständige Digitalisierung der Zeitschrift zu gewährleisten.

Titelbild der Zeitschrift Der Eigene

 

 

Abgeschlossene Projekte

Monographie über Magnus Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft (1919-1933)

Unsere Forschungsstelle unterstützte die Fertigstellung einer Monographie über Magnus Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft (1919-1933) in Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und der Berliner Gesellschaft für Geschichte der Medizin e.V., die von Rainer Herrn erarbeitet wird. Darin werden die vielfältigen Tätigkeits- und Wirkungsbereiche des Instituts dargestellt und in die Wissenschafts- und Zeitgeschichte eingeordnet. Beschrieben werden u.a. die von Institutsmitarbeitern vertretenen wissenschaftlichen Positionen und deren Auswirkungen auf Sexualtherapie und –forensik sowie die Aktivitäten in den Bereichen Sexualaufklärung, -beratung und –reform. Außerdem geht er auf Darstellungen der Institutssammlungen des sexualhistorischen Museums sowie der sexualwissenschaftlichen Bibliothek ein. Die Publikation der inzwischen abgeschlossenen Monographie wird derzeit vorbereitet.

 

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Das Berliner Institut für Sexualwissenschaft (1919-1933)

Aus dem Museum der Leidenschaften. Sammlungen zur Kulturgeschichte der Sexualität von Magnus Hirschfeld (Berlin, 1919-1933) und Naomi Wilzig (Miami, 2005-2015)

Unsere Forschungsstelle erarbeitete im Rahmen eines von der Exzellenzinitiative der HU geförderten Projekts mit Nachwuchswissenschaftler_innen eine Ausstellung mit dem Titel „Aus dem Museum der Leidenschaften. Sammlungen zur Kulturgeschichte der Sexualität von Magnus Hirschfeld (Berlin, 1919-1933) und Naomi Wilzig (Miami, 2005-2015)“. Ziel ist ein Vergleich der Sammlungen Magnus Hirschfelds und des World Erotic Art Museum.

Ein Team internationaler Nachwuchswissenschaftler_innen wirkte an der Konzeption der Ausstellung mit. Die Gestaltung übernahmen drei studentische Mitarbeiter_innen aus den Fachbereichen der Kunstgeschichte, der Museologie sowie aus dem Institut Kunst im Kontext (UdK). Sie wurden dabei von Prof. Michael Fehr, Vorstand im Museum der Dinge, beraten und von Helmut Schuster, Kurator am World Erotic Art Museum, unterstützt.

 

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Ausstellung im Pergamon-Atrium  Fotograf: Andreas Pretzel

Entstehung der Ausstellung

Vernissage

Einblicke in ein Werkstatt-Projekt

Dokumentation der Ausstellung

 

 

Hirschfelds Testament

Verfasst in Form eines Tagebuchs, bietet das Testament von Magnus Hirschfeld Aufschluss über die letzten Jahre seines Wirkens und seine Bemühungen das Erbe zu sichern. Es dokumentiert seine Weltreise und seinen Aufenthalt im Exil in Österreich, der Schweiz und Frankreich bis hin zu seinem Tod 1935.

Unsere Forschungsstelle hat die von Ralf Dose im Mai 2013 herausgegebene Edition dieses historischen Dokuments unterstützt und finanziell gefördert (vgl. Veröffentlichungen).

 

 

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Buchcover: Magnus Hirschfeld: Testament. Heft II.
Hg. v. Ralf Dose.
Berlin: Hentrich und Hentrich 2013.

Hirschfelds Vermächtnis: Erschließung der Stiftungsakten

Als Magnus Hirschfeld 1919 mit der Errichtung einer Stiftung die Grundlage für das von ihm begründete Institut für Sexualwissenschaft schuf, verfügte er: „Für den Fall, dass die Stiftung […] aufgehoben werden sollte, soll das Stiftungsvermögen an die Universität Berlin oder, falls diese die Annahme ablehnt, an eine andere Hochschule fallen…“ Dieser Fall trat mit der Zerschlagung des Instituts durch die Nationalsozialisten am 6. Mai 1933 ein. Die Berliner Universität schlug damals dieses Erbe aus.

Unsere Forschungsstelle hat die Akte zur Errichtung einer Stiftung transkribiert. Auf dieser Grundlage verfasste Ralf Dose ein inzwischen publiziertes Buch, das das historische Dokument kommentiert, würdigt und in die Geschichte des Instituts einordnet. Zugleich dokumentiert die Studie die seit den 1980er Jahren unternommenen Bemühungen an der Humboldt-Universität, an die zerstörte Forschungstradition Berlins wieder anzuknüpfen, an das von Hirschfeld geleitete Institut zu erinnern und Verantwortung für das historische Erbe der Berliner Sexualwissenschaft zu übernehmen.

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Aktendeckel der Stiftungsakte m.f.G. Landesarchiv Berlin