Institut für deutsche Literatur

Habilitationsprojekt

Einspruch und Bestreitung: Mimesis und Negation im Realismus

Bilder können nicht verneinen: „Ich kann ein Bild davon zeichnen, wie Zwei miteinander fechten, aber doch nicht davon, wie Zwei miteinander nicht fechten [...]“ (Ludwig Wittgenstein). Wurde diese prominente These in der Diskussion um ikonische Negativität auch immer wieder bestritten, so blieb doch Konsens, dass die explizite sprachliche Negation ein anschauungsfernes Phänomen darstellt. Ausgehend von einem Verständnis der Negation als Sprachhandlung, als Einspruch und Bestreitung, stellt das Projekt die Frage nach dem Status der Negation im literarischen Realismus. Realistische Mimesis gilt nämlich gerade den in Negationen dargestellten sozialen Konflikten. „Unsere Fähigkeit zum Realismus“, so Hans Blumenberg, „beruht auf der Negation“. Wirklichkeit erweist sich in der Negation als Erfahrung des Widerstands einer sozialen und institutionellen Umwelt. Zugleich markiert die Negation im Innern sprachlicher Bildwelten ein Ort des Bildentzugs und ermöglicht die Bestreitbarkeit der Realität selbst. In ihren Negationen – so die Hypothese des Projekts – verwalten literarische Texte ein Reservoir der Zurückweisung jener sozialen Fiktionen, die sie selbst produzieren.