Institut für deutsche Literatur

Praxeologie der Literaturwissenschaft


 

Projektskizze

Literaturwissenschaftliche Praktiken sind in ihrem ›Betriebsmodus‹ kaum sichtbar. Dort, wo sie beherrscht werden, wird derjenige, der sie beherrscht, meist schon gar nicht mehr wissen, dass er dies alles einmal nicht gewusst hat; er wird vergessen haben, wie schwer es war, sich dieses Praxiswissen anzueignen. Die Verhaltensroutinen werden für den Praktiker häufig in einem Maße zur ›zweite Natur‹, dass sie nur mit großer Mühe artikuliert und zum Gegenstand expliziter Analysen und theoretischer Diskussion gemacht werden können. Praktiken erscheinen dann als das, was sich ›von selbst‹ versteht und deshalb für die Handelnden ›unsichtbar‹ bleibt. Die mit einem gelungenen Praxisvollzug verknüpfte »Könnerschaft« scheint zudem meist nur begrenzt explizierbar zu sein. Die Explikation der in den Geisteswissenschaften als Praxis eingeschliffenen Verfahrensroutinen fällt aber auch deshalb so schwer, weil sich die fachwissenschaftliche Selbstreflexion meist auf die Ebene des Regelwissens konzentriert und das Anwendungswissen dabei vernachlässigt. Dabei geraten die ›handwerklichen‹ Wissensformen der Philologien aus dem Blick. Es sind aber genau diese Praxisformen des Textumgangs, der Begriffsbildung, der Themenfindung, der Wissensordnung, der Validierung und Darstellung von Wissensansprüchen, die den literaturwissenschaftlichen Disziplinen ihr spezifisches Gepräge verleihen. Ihnen gilt das Forschungsinteresse dieses Projekts.

Publikationen
  • Carlos Spoerhase: Microcosmographia academica. In: IASLonline, 30.11.2006, Dokument hier laden.

  • Steffen Martus: Philo-Logik. Zur kulturwissenschaftlichen Begründung von Literaturwissenschaft. In: Uwe Wirth (Hrsg.): Logiken und Praktiken der Kulturforschung. Berlin 2008, S. 125–147.

  • Steffen Martus und Carlos Spoerhase: Praxeologie der Literaturwissenschaft. In: Geschichte der Germanistik 35/36 (2009), S. 89–96.

  • Carlos Spoerhase: Big Humanities. ‚Größe’ und ‚Großforschung’ als Kategorien geisteswissenschaftlicher Selbstbeobachtung. In: Geschichte der Germanistik 37/38 (2010), S. 9–27.

  • Carlos Spoerhase und Mark-Georg Dehrman: Die Idee der Universität: Friedrich August Wolf und die Praxis des Seminars. In: Zeitschrift für Ideengeschichte 1/2011, S. 105–117.

  • Michael Kämper-van den Boogaart, Steffen Martus und Carlos Spoerhase: Entproblematisieren: Überlegungen zur Vermittelbarkeit von Forschungswissen. In: Zeitschrift für Germanistik 1/2011, S. 8–24.

  • Steffen Martus und Carlos Spoerhase (Hrsg.): Historische Praxeologie: Quellen zur Geschichte philologischer Praxisformen, 1800–2000. In: Zeitschrift für Germanistik, S. 221–404.

  • Steffen Martus und Carlos Spoerhase: Eine praxeologische Perspektive auf Einführungen. In: Claudius Sittig und Jan Standke (Hrsg.): Germanistische Lehrbuchkultur. Würzburg 2013, S. 25–39.

  • Carlos Spoerhase: Literaturwissenschaft und Gegenwartsliteratur. In: Merkur: Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 68 (2014) H. 1, S. 15–24.

  • Carlos Spoerhase: Das „Laboratorium“ der Philologie? Das philologische Seminar als Raum der Vermittlung von Praxiswissen. In: Andrea Albrecht, Lutz Danneberg, Olav Krämer und Carlos Spoerhase (Hrsg.): Theorien, Methoden und Praktiken des Interpretierens, Berlin, München und Boston 2015, S. 53–80.

  • Steffen Martus: Epistemische Dinge der Literaturwissenschaft? In: Andrea Albrecht, Lutz Danneberg, Olav Krämer und Carlos Spoerhase (Hrsg.): Theorien, Methoden und Praktiken des Interpretierens. Berlin und Boston 2015, S. 23–51.

  • Steffen Martus: Wandernde Praktiken „after theory“? In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 40 (2015), S. 177–195.

  • Ralf Klausnitzer, Carlos Spoerhase und Dirk Werle: Ethos und Pathos der Geisteswissenschaften. In: Ralf Klausnitzer, Carlos Spoerhase und Dirk Werle (Hrsg.): Ethos und Pathos der Geisteswissenschaften. Konfigurationen der wissenschaftlichen Persona seit 1750, Berlin, München und Boston 2015, S. 13–38.

  • Steffen Martus: Der Mut des Fehlens. In: Ralf Klausnitzer, Carlos Spoerhase und Dirk Werle (Hrsg.): Ethos und Pathos der Geisteswissenschaften. Konfigurationen der wissenschaftlichen Persona seit 1750, Berlin, München und Boston 2015, S. 61–78.

  • Steffen Martus, Erika Thomalla und Daniel Zimmer: Die Normalität der Krise. Beobachtungen zur Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft aus Fußnotenperspektive. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 89 (2015), S. 510-520.

  • Carlos Spoerhase: Gegen Denken? Über die Praxis der Philologie. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 89 (2015) [im Druck].

  • Steffen Martus: Literaturwissenschaftliche Kooperativität aus praxeologischer Perspektive – am Beispiel der ‚Brüder Grimm‘. In: Vincent Hoppe, Marcel Lepper und Stefanie Stockhorst (Hrsg.): Symphilologie. Formen der Kooperation in den Geisteswissenschaften. Göttingen 2016, S. 47-72.

  • Steffen Martus: Zur Normativen Modellierung und Moderation von epistemischen Situationen in der Literaturwissenschaft aus praxeologischer Perspektive. In: Scientia Poetica 20 (2016), S. 220-233

  • Steffen Martus, Erika Thomalla, Daniel Zimmer: "Dass keine Atomphysiker dabei waren, hat mich auch nicht gewundert". Zur Praxis der Interdisziplinarität aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. In: Angewandte Philosophie. Eine internationale Zeitschrift (2018).